Photos: Elana Meyers Taylor, Elisabeth Maier, IBSF / Viesturs Lacis, IBSF / Eugen Eslage

IBSF-Athletinnen sprechen über ihre Comeback-Pläne und die Herausforderungen als Mütter 

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Lake Placid / Calgary (RWH) Zum Tag der Gleichstellung der Frau 2020 am 26. August treffen wir US-Bob-Pilotin Elana Meyers Taylor und die kanadische Skeleton-Athletin Elisabeth Maier zu einem ausführlichen Interview. Beide sind kürzlich Mutter geworden, Elanas Sohn Nico wurde im Februar geboren, Elisabeths Sohn Hendrix im Dezember 2019. Beide arbeiten an ihrem Comeback für den Winter 2020/2021.

Erste und wichtigste Frage: Wie geht es euch und den kleinen Jungs? 

Elisabeth Maier: Mir geht es gut! Der bei weitem schwierigste Teil ist der Schlaf, der kleine Hendrix wacht gerne und oft noch in der Nacht auf. Aber er ist glücklich und gesund, und ich bin es auch!

Elana Meyers Taylor: Nico ist großartig! Er kommt nach seinem Vater und ist ein extrem glücklicher Junge. Er isst wie ein Bobfahrer und ist sehr groß – was schön ist, aber auch anstrengend für den Rücken! Er hat ein paar gesundheitliche Probleme, die uns auf Trab halten, aber ich bin so glücklich, seine Mutter zu sein!


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Wir haben seit der Geburt der Kinder schon viele Fotos und Videos von eurem Training in den sozialen Medien gesehen. Was ändert sich da, wenn man ein Baby hat? 

Elana: Bevor ich ein Baby hatte, war mein ganzer Tag auf das Training konzentriert. Ich habe immer zusätzlich gearbeitet, aber das Training stand im Mittelpunkt und alles andere kam an zweiter Stelle. Ich bin jeden Tag aufgewacht, habe gearbeitet, viel trainiert und mich so gut wie möglich erholt. Und mit Baby? Ich muss jetzt extrem anpassungsfähig sein!  An manchen Tagen bekomme ich nur vier Stunden Schlaf und muss trotzdem einen Weg finden, zu trainieren. An manchen Tagen vergesse ich das Essen zwischen dem Training und der Betreuung von Nico. Ab und zu muss ich auch Pausen machen, um Nico zu stillen. Aber vor allem gibt er eine ganz neue Motivation. Wenn ich ihn und meinen Mann sehe, habe ich neue Energie – egal wie wenig ich geschlafen habe!
Auch mein Körper hat sich verändert. Ich hatte einen Notkaiserschnitt, der länger zum Heilen brauchte, als ich erwartet hatte. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich wieder an das harte Bob-Training gewöhnt hatte – viel Gewichtheben und kurze Sprints – aber auch an das Tragen und Stillen eines Babys. Am Anfang tat mein Rücken ständig weh, aber jetzt beginnt mein Körper, sich anzupassen.

Elisabeth: Meine Ruhezeiten hängen nicht unbedingt davon ab, was ich brauche, sondern eher davon, was Hendrix braucht. Manchmal müssten wir mitten in den Trainings-Einheiten eine Pause einlegen, damit ich stillen kann oder ich plane meine Zeiten um seine Nickerchen herum!
 

Was sind jetzt die größten Herausforderungen oder auch Vorteile beim Training? 

Elisabeth: Eine meiner größten Herausforderungen ist es, geduldig mit mir selbst zu sein. Ich weiß, dass ich eine ziemlich schwere Operation hatte und mein Körper Zeit brauchte, um sich zu erholen. Und mein Fokus liegt nicht mehr nur auf mir und meinen Bedürfnissen, sondern ich habe einen kleinen Jungen, auf den ich aufpassen und für den ich sorgen muss. Seit ich Mama geworden bin, habe ich ein neues Ziel im Sport: meinen Sohn zu ermutigen, seine Träume zu leben, und Mütter auf der ganzen Welt zu inspirieren, ebenfalls ihren Zielen nachzugehen – es ist also definitiv ein großer Vorteil, wenn dieses Feuer an Motivation wieder entzündet wird.

Elana: Ich glaube, eine der größten Herausforderungen sind eigentlich die Schuldgefühle. Wenn ich trainiere, ist es schwer, mich nur darauf zu konzentrieren, wenn ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich mit Nico machen kann, um seine Entwicklung zu fördern. Ich sollte ihm vorlesen oder mit ihm spielen – nicht trainieren. Aber ich weiß, dass ich als Sportlerin eine bessere Mutter bin, weil ich dadurch Ziele haben und mich für sie einsetzen kann - was eines der besten Dinge ist, die ich Nico beibringen kann.
Noch ein Vorteil ist die zusätzliche Motivation. Wenn ich müde bin und keine Lust mehr zum Trainieren habe, erinnere ich mich daran, warum ich das tue: Um meinem Sohn zu zeigen, dass alles möglich ist, wenn man Träume verwirklichen will. Ich möchte, dass er ein Teil davon ist.  Auch wenn ich einen schlechten Tag habe, ist es Nico egal! Er schenkt mir immer noch das schönste Lächeln und liebt mich – egal, ob ich jedes Rennen gewinne oder nie wieder Bob fahre.

Ihr habt beide in der letzte Saison wegen der Schwangerschaft pausiert. Was sind nun die nächsten Schritte, um euch für die Nationalteams zu qualifizieren?

Elana: Um mich zu qualifizieren, muss ich im Oktober an den US-Team-Trials teilnehmen und gewinnen. Kaillie Humphries ist als Weltmeisterin automatisch im Team. Also muss ich alle anderen US-Pilotinnen schlagen, um eins der beiden geförderten Teams auf der Weltcup-Tour in dieser Saison zu sein.

Elisabeth: In Whistler und in Lake Placid werden insgesamt drei Tests für das kanadische Team stattfinden. Es ist ein bisschen schwierig, weil wir weniger Weltcup- und ICC-Plätze haben als in den vergangenen Jahren. Der Wettbewerb wird also besonders hart sein. 

 

Elana Meyers Taylor (35, USA, Frauen-Zweierbob), Pilotin und frühere Anschieberin

-        3 Olympia-Medaillen (Bronze 2010 als Anschieberin, Silber 2014 + 2018 als Pilotin)

-        Weltmeisterin 2015 und 2017

-        18 Siege im BMW IBSF Weltcup, Weltcup-Gesamtsiegerin 2015

-        Verheiratet mit dem früheren US-Anschieber Nic Taylor

>> IBSF Athleten-Profil Elana Meyers Taylor

Elisabeth Maier (26, geb. Vathje, CAN, Frauen-Skeleton)

-        WM-Dritte 2015

-        3 Siege im BMW IBSF Weltcup, insgesamt 12 Podiums-Plätze

-        2018 Olympia-Starterin in PyeongChang, wurde Neunte

-        Verheiratet mit Bob-Pilot Benjamin Maier aus Österreich

>> IBSF Athleten-Profil Elisabeth Maier

 

Wenn ihr euch qualifiziert - was sind eure Ziele für die erste Saison als "Sliding Mom" und darüber hinaus?

Elisabeth: Das erste Ziel in dieser Saison ist es, mich für den Weltcup zu qualifizieren und dann für die WM. Für die Zukunft habe ich vor allem das Podium bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking im Visier.

Elana: Die WM sowohl im Frauen-Zweierbob als auch im Monobob gewinnen und dann 2022 in Peking zwei olympische Goldmedaillen holen. Ich würde auch gerne wieder Startrekorde brechen, aber ich weiß, dass das Zeit brauchen wird. In der ersten Saison konzentriere ich mich darauf, jede Woche besser zu werden und am Ende WM-Gold zu holen. Dazu muss ich nicht jedes Weltcup-Rennen gewinnen, sondern rechtzeitig zur Weltmeisterschaft topfit sein. Nach 2022? Ich weiß, dass ich mehr Kinder haben möchte, also müssen wir abwarten, ob Bobfahren mit mehreren Kindern möglich ist.


Eure Ehemänner sind sich ebenfalls in diesem Sport aktiv als neue "Sliding Dads". Wo sind da die Unterschiede zwischen Müttern und Vätern?

Elana: Ich denke, der größte Unterschied ist die Rückkehr zum Sport nach allem, was unser Körper durchgemacht hat. Es ist ein langer Weg und auch beim Stillen verändert sich der Körper ständig. Nico ist für seine Ernährung auf mich angewiesen, also spielt es definitiv eine Rolle fürs Training, und es ist wichtig, alles gut zu organisieren. Als Vater muss auch mein Mann Nic seinen Tagesablauf anpassen.  Er kümmert sich um Nico, während ich trainiere, und muss irgendwie einen Weg finden, seine Ausbildung als Physiotherapeut fortzusetzen. Er übernimmt auch die Nachtschicht mit Nico und sorgt dafür, dass ich mich so viel wie möglich ausruhen kann, aber dadurch wird ihm oft der Schlaf geraubt. Ohne ihn könnte ich das auf keinen Fall schaffen.    

Elisabeth: Ich glaube, die Väter im Sport bekommen nicht die Anerkennung, die sie verdienen. Es gibt viele Papas im Bob- und Skeleton-Sport, die lang von ihren Familien getrennt sind. Ich habe unglaubliches Glück, dass Benny ein aktiver Sportler ist, und wenn alles nach Plan läuft, werden wir zusammen auf der gleichen Tour sein. Benny ist ein Rockstar als Vater. Natürlich mussten wir ständig herausarbeiten, wann Arbeitszeit und wann Familienzeit ist, und dieser Prozess wird sich in den nächsten beiden Saisons fortsetzen. Aber das ist unser Ziel und wir wollen beide den Sport auf höchstem Niveau betreiben.
 


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Wenn ihr einen Wunsch frei hättet - was würde am meisten helfen, in der Vorbereitung und während der Saison erfolgreich zu sein?

Elisabeth: Dass der Corona-Virus auf magische Weise verschwindet (ich glaube, das wünscht sich jetzt jeder!!!) Aber Benny muss am 28. August nach Österreich zurück, und aufgrund der Corona-Quarantänebestimmungen werden wir ihn wahrscheinlich bis November nicht sehen können! Mein größter Wunsch wäre es also, als Familie zusammen zu sein.

Elana: Gute Kinderbetreuung! Angesichts der Situation mit Covid war es schwierig, Pläne für die Kinderbetreuung während der Saison zu machen. Wir haben diesen Teil eigentlich noch nicht ganz durchdacht – vor allem, weil es für unsere Familie schwierig sein wird, nur für kurze Zeit einzufliegen, um auszuhelfen.

Habt ihr einen Rat für neue und zukünftige Mütter, die das Sport- und Familienleben erfolgreich miteinander verbinden wollen? 

Elana: Fangt jetzt damit an, Geld zu sparen!  Ich hatte das Glück, dass ich mein Preisgeld aus der Olympia-Saison und die Medaillen-Prämien von den Olympischen Spielen 2018 gespart habe. Das hilft gerade sehr! Trotzdem gibt es definitiv Tage, an denen man bezweifelt, dass es möglich ist. Dann muss man einen Tag nach dem anderen angehen und wird einen Weg finden.

Elisabeth: MACHT ES EINFACH! Es ist schwer, aber mit Unterstützung von Freunden und Familie kann man Ziele und Träume immer verfolgen. Ich denke, das gilt für alle Mütter, egal in welcher Sportart. Und wir dürfen uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen – wir tun alle unser Bestes und müssen uns gegenseitig unterstützen. Also: Passt aufeinander auf und schaut nach euren Freundinnen, sie könnten gerade etwas Ermutigung brauchen.

Ich bin auch dankbar für die neuen und erfahrenen Mütter um mich herum, die sich nach mir erkundigt haben, einschließlich Elana. Ich habe mit ihr das Glück, eine Mama in einer ähnlichen Situation wie ich zu haben. Wir können Ideen austauschen, uns gegenseitig ermutigen, helfen und zu unterstützen, damit wir wissen, dass wir nicht allein sind! Auch wenn wir viele Kilometer voneinander entfernt sind, war die virtuelle Unterstützung fantastisch!

 

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Photos: Elana Meyers Taylor, Elisabeth Maier, IBSF / Viesturs Lacis, IBSF / Eugen Eslage

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